Rock me, Amadeus (Mai 2012)

Im Vorfeld lernte man Kummer. Über die Buchungszahlen, die angekündigten Tanzenden, die üblichen Herausforderungen solch eines Riesen-Events.
Das Konzept ist stärker als gedacht. Hol aus der Weltstadt Wien mit ihrer Historie und den Geschichten in den Köpfen der Leute alles raus. Geh in Palais wie das Ferstl, das Eschenbach, garniere es mit Vorstadt wie Tangocafés in der Galeria und hoffe das Beste.

Buche (überteuerte) Spitzenpaare, TJs!
Und die Hoffnung überlebte, gebucht wurde während des Festivals, zwischen den workshops. Viele Festivalpendler, die nur für einen Tag nach Wien kamen, sah man gehäuft in den Tangocafés.

Donnerstag 1. Tag
Erster Tag halt.

Freitag 2. Tag – Purgatorio
Tangocafé eher spärlich, ob des schönen Wetter jedoch doch recht freundliches Erscheinen.

Am Abend über die Donau. Palladion XXI. Wir bildungsnahe Schichten kennen das Wort, passt auch gut zum Tango. Aber kennt man es auch auf der anderen, öfters bildungsfernen Seite der Donau, wurde dort etwas geschützt, in Ehren gehalten? Von der Absicht her sicher.

Der Raum ließe –mit Wasser gefüllt– Blauwalschaukopulationen zu.
700m2 groß und er könnte noch größer sein, angeblich finden dort Hochzeiten statt.
Der Mun-Sekte?

TJ Yuri wie ein einsamer Popstar im Lichtkegel am anderen Ende des Raumes, ich hatte zufällig ein Fernrohr dabei, sonst hätte ich ihn nicht erkannt.
Kann so ein Raum jemals gut besucht sein? Kann schon.
Tanzfläche erinnerte an chaotische Vektoren mit vielen Unbekannten.
Richtung, Geschwindigkeit der Tanzenden? Völlig unbekannt.

Das hemmt des Sensiblen Tanzgenuss doch beträchtlich. Das Gefühl sind auch die anderen Paare, das macht den Genuss aus, das harmonische Bewegen aller, im Idealfall mit gleichem Herzschlag.
Egal, den meisten hats gefallen, ich war froh, dass es gut besucht war und trat den Erholungsschlaf auf der anderen Seite der Donau an.

Der Auftritt von Diego Riemer und Maria Belén sei mal wohlwollend mit Operettentango umschrieben.
Mein Zeus aus den frühen Tangojahren…
Maria Belén schauspielerisch großartig.
Die können schon tanzen, man muss es ja nicht immer merken…

Tag 3 – Paradiso Vol 1 | Tangocafé Galeria Ideal
Zeus (also der echte jetzt) war uns gnädig, schlechtes Wetter!

Yuri nach seiner transdanubischen Apotheose erschien mit einer leichten Katharsis.
Kathatert sozusagen.

1. Tanda Francisco Lomuto, so klingen Engels-Chöre, inkl. verminderter Sept am Schluss.
Himmlischer Tritonus!

Es gibt mathematisch nachvollziehbar das eine Auto, das auf die Autobahn, Brücke wo auch immer auffährt und damit ist der Stau perfekt.
Und es wird wohl dieses eine Paar gegeben haben, das zwischen 16 und 17 Uhr reinkam, die Tanzfläche betrat, und es war perfekt.
Ein Körper, der sich auf der Tanzfläche zur Musik bewegt hat.

©Mathias Kahler-Polagnoli

Einige reisten eigens nur zum Tangocafé, das um EUR 4 ein Erlebnis der wohl besonders lustvollen Art bescherte.
Verschwitzt, berauscht – völlig dyonisiert ging’s nach Hause zum Pre-Milonga-Nap, in Buenos Aires ein Fixpunkt des Tages.

Samstag Abend Milonga, Paradiso Vol 2 | Palais Ferstl
Früh erwacht nach kurzer Rast ab ins Palais Ferstl, man gönnt sich ja auch sonst sehr viel.
Erwartungshaltung ob des letzten Jahres eher gedämpft.
Aber das Leben ist wie immer, anders als gedacht.
Die Unbekannten der Freitagsgleichung wurden offenbar gefunden, es herrschte Ordnung.
In Ordnung, zu euphemistisch, aber solange der Nachbar 800 € im Monat verdient und Du 1.000, bist Du glücklich. Diese Art Ordnung, im relativen Vergleich eben.

Nach 2 Tandas mit der tschechischen Flamme zurück an den Tisch, der plötzlich die doppelte Anzahl an Weingläsern trug. Es kamen sogar Leute zu uns, die vorher ganz woanders saßen.
Sehr spät kam mir der Gedanke, nachdem ich gönnerhaft nachgeschenkt habe, smalltalk mit dem Wissen geführt habe die Leute jederzeit wieder zum Verlassen des Tisches ersuchen zu können, dass ev. irgendwas mit dem Tisch nicht in Ordnung sei.
So war es auch. Also der Tisch war schon in Ordnung, halt nicht unserer.
Irgendwie peinlich.

Der exaltierte Star an den Pulten, der das Energieniveau immer 2 Tandas konstant hält, mit dem klingenden Namen Sab Fab SuperSabino, oder abgekürzt Sab Fab SuperSabino, machte seine Arbeit gut.
Es ist den TJs gar nicht genug zu danken, dass sie die Stimmung einen Abend halten. Da steckt viel Arbeit, Talent, Wissen dahinter. Mille Grazie Sab Fab SuperSabino!!!
Ob seiner begleitenden Ansagen bei den Shows war er früher wohl Boxpromoter. Multitalentiert der Kerl.

©Maria Orlova

Noelia Hurtado y Carlitos Espinoza zeigten Tango auf höchstem Niveau und bekamen den wenigsten Applaus. Wie könnte es anders sein? Schade.

Aoniken y Alejandra – siehe Freitagsbeschreibung Diego y Maria Belén.
Perfekte Tänzer. Ansonsten.
Operettentango in Wien, wie passend!

Hier das Video von der gesamten Mitternachtsshow. Graciás a Noelia y Carlito y Aoniken y Alejandra!!! Tango et circenses!

 

Solo Tango war offenbar nicht das Motto der Auftritte, doch der Name des Orchesters, das danach kam.
Deutsche!
Tolle Musiker bei Wagner und von Weber. Aber Tango?
Wie doch manchmal weicht das Urteil vom Vorurteil ab.
Poema, Invierno, …, tanzbar! Wunderschön gespielt, Soundqualität hoch trotz gleicher Eigenschaft des Raumes.
Verdammt.

Herrliche Tandas, herrliche Tänzerinnen, stille Wässer um 7€, blasse Rote um €6,80, ein perfekter Abend. Ein perfekter Tag.
Frisur hält nicht.

Tag 4 – Paradiso Vol 3 | Tangocafé Galeria Ideal

SFSuSa war wohl boxpromoten.
So kam Semeon Kukormin zu seinem TJ Ticket.
Was für ein Glück. Jahrgang 1985, Russe, Tänzer, TJ.
Wer in diesen frühen Jahren den Tango Argentino, v.a. die Musik, liebt, der wird gut sein.
Und so war er das auch.

©Mathias Kahler-Polagnoli

Zwar weniger Tickets verkauft als am Samstag, aber die Tanzfläche war voller.
In der Kurve bist Du zeitweilig 1 Minute gestanden.
Und diese Art Stillstand war wunderschön. Bailar a una baldosa!
Fühlte mich ein wenig wie vor der Geburt;
Gehalten. Beschützt. Nass.
Doch noch ein schöner Muttertag der etwas anderen Art.

Tag 4 – Sonntag Abend Milonga | Palais Eschenbach

Erste halbe Stunde mit den anderen Damen am Tisch darüber diskutiert, ob sich hier wohnen ließe. Also wurden Vorhänge ausgetauscht, Couchvariationen besprochen, Farben aufgetragen und wieder überpinselt. Zwischenwände ja/nein. Zwischendurch etwas getanzt.

Die Antwort war übrigens Ja, hier könnte man wohnen und private Milongas veranstalten.
So mit handgeschriebenen Einladungskarten.
Don Xello gibt sich die Ehre Sie und Ihre Begleitung für … zu einer Milonga in richtiger Tanzrichtung einzuladen. Herren mit Cabeceo, Damen comme il faut, Spurwechsel bitte zu vermeiden.
Wir bitten um Antwort bis …

Dazwischen immer Blicke auf die Tanzfläche, wo erfahrungsgemäß die Einheimischen das Kommando übernommen haben. Erfreulicherweise doch auch viele Gäste noch da.
Übliche Despedida-Zeremonien, Graciás, Besos, Te quiero!

TJ Christoph Lanner sehr variantenreich diesmal, ungewohnte Stücke, perfekt fürs Publikum aufgelegt.
War zu erwarten.

Fazit
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen ist es Marion Jantsch und Birgit Dalheimer gelungen, ein wunderbares, nicht hoch genug für Wien einschätzbares Tangofestival zu organisieren.
Wie immer ohne Fangseil und diesmal wird für die schwarze Null kein richtiger Platz gefunden werden.
Wir von der Galeria werden die Damen so gut wie möglich weiterhin unterstützen.
Dass es weniger gut besucht war als letztes Jahr ist zweifelsohne auf die doch hohen Preise zurückzuführen. Billiger hieße andere locations, andere Paare, anderes Konzept.
Nur ist es dann noch Tango Amadeus?
Eventuell finden sich bei dem einen oder anderen Tanzenden unserer Szene noch der eine oder andere Sponsor. Für 1.000€ gibt es ausgezeichneten Wein, einen Tisch an der Tanzfläche für 2 Personen und ein gutes Gefühl.
Und das ist doch das einzige, worauf es letztendlich beim Tango ankommt.

Leave a comment